2. Juli 2024, 11:56 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat aufgerufen, mehr als 50.000 Verbraucher haben abgestimmt: Der Preis für die dreisteste Werbelüge 2024 geht an den Kinder-Snack „Obsties“ der Marke Alete. Das Beispiel zeigt: Die Jüngsten unserer Gesellschaft sind nicht ausreichend vor ungesunden Lebensmitteln geschützt.
Alete hat zum dritten Mal den Negativpreis „Goldener Windbeutel 2024“ von Foodwatch erhalten. Bei einer Online-Abstimmung der Verbraucherorganisation wählten mehr als die Hälfte der rund 56.000 Teilnehmer ein Produkt der Marke für Säuglings- und Kleinkindnahrung zur „dreistesten Werbelüge des Jahres“. Es geht um die stark fruchtzuckerhaltigen „Obsties“ für Kinder ab drei Jahren, die vom Hersteller mit dem Claim „ohne Zuckerzusatz“ beworben werden.
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Übersicht
- „Goldener Windbeutel“ 2024 geht an Obsties von Alete
- Entsprechende Lebensmittelwerbung laut WHO gar nicht zulässig
- Obsties-Hersteller räumte „Aufkonzentrierung des Fruchtzuckers“ ein
- Der Unterschied zwischen Fruchtzucker und Glukose
- „Goldener Windbeutel“ 2024: Fitnessriegel von Offset Nutrition auf Platz 4
- Quellen
„Goldener Windbeutel“ 2024 geht an Obsties von Alete
Abgeräumt haben die negative Ehrung „Goldener Windbeutel“ in diesem Jahr die Obsties Erdbeer-Banane mit Joghurt. Es handelt sich ein Produkt von Alete, wiederum eine Marke des Molkereikonzerns Deutsches Milchkontor (DMK). Foodwatch kritisiert: „Alete bewirbt den Fruchtsnack ‚für Kinder‘ und nutzt den Claim ‚ohne Zuckerzusatz‘ – doch die Obsties bestehen zu 72 Prozent aus Zucker.“1
Fachlich mag das sogar richtig sein – denn bei dem enthaltenen Zucker handelt es sich ausschließlich um Zucker aus Früchten, also Fruchtzucker – und der ist nun mal nicht zugesetzt, sondern in den verwendeten Früchten enthalten. Irreführend für den Verbraucher – in diesem Fall Eltern, die womöglich denken, ihren Kindern damit etwas besonders Gutes zu geben. Denn es suggeriert: Obsties sind bestens für Kinder geeignet, denn sie bestehen aus Obst. Und Obst ist ja bekanntermaßen gesund.
Entsprechende Lebensmittelwerbung laut WHO gar nicht zulässig
Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dürften die Alete Obsties aufgrund ihres hohen Zuckergehalts nicht an Kinder beworben werden.2 Auch die Bundesregierung bemängelt die auf Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung, die sehr häufig hoch verarbeitete Lebensmittel anpreisen, die u. a. zu viel Zucker enthalten und mit quietschbunten Farben und lustigen Formen auf sich aufmerksam machen. Im Koalitionsvertrag ist deshalb eine entsprechende gesetzliche Regelung vorgesehen. Doch die Abstimmungen dazu mit anderen Bundesministerien halten derzeit noch an.
„Lebensmittelwerbung hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten bei Kindern unter 14 Jahren“, schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Sie seien besonders empfänglich für Werbung, dabei werde gerade im Kindesalter Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt. Aus diesem Grund soll sich „Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen relevanten Medien nicht mehr an Kinder richten dürfen“.3
Laut BMEL sind rund 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland – das sind knapp zwei Millionen Kinder und Jugendliche – übergewichtig, darunter knapp sechs Prozent adipös. Kinder und Jugendliche würden etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks und nur halb so viel Gemüse und Obst wie empfohlen verzehren, heißt es.1
Obsties-Hersteller räumte „Aufkonzentrierung des Fruchtzuckers“ ein
Immerhin: In einer Mail an Foodwatch reagierte der Hersteller DMK auf die Windbeutel-Nominierung und räumte ein, dass es bei den Obsties von Alete zu einer „Aufkonzentrierung des natürlichen (Frucht-)Zuckers“ komme. So heißt es in der Pressemitteilung von Foodwatch. Zum Hauptkritikpunkt, dass aufgrund des hohen Zuckergehalts laut WHO-Kriterien gar nicht an Kinder beworben werden dürfte, bezog das Unternehmen laut Foodwatch jedoch keine Stellung. Die Alete Obsties mit ihrem hohen Zuckergehalt sind im Kinder-Snack-Regal übrigens in bester Gesellschaft. Laut einem Check von Foodwatch dürften nur 14 von 77 untersuchten Produkten laut WHO-Kriterien an Kinder beworben werden.
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Der Unterschied zwischen Fruchtzucker und Glukose
Der wesentliche Unterschied zwischen Fruchtzucker und Glukose besteht darin, dass Glukose von den Körperzellen nur aufgenommen werden kann, wenn Insulin ausgeschüttet wird. Fruktose braucht dieses nicht. Das ist der Grund, weshalb Fruchtzucker insbesondere früher gerne als Süßungsmittel für Diabetiker angepriesen wurde. Gesund ist Fruchtzucker aber nur dann, wenn man nicht zu viel davon am Tag aufnimmt. Wie alle Zuckerarten liefert er weder Vitamine noch Mineralstoffe. Viel besser also, als Kindern hochverarbeitete Produkte wie Obsties von Alete zum Snacken zu geben: Richtiges Obst essen lassen, denn dadurch nehmen sie – neben dem Zucker – gleichzeitig auch Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe auf. Ein überschüssiger Zuckerkonsum ist zu vermeiden – egal aus welcher Quelle.
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„Goldener Windbeutel“ 2024: Fitnessriegel von Offset Nutrition auf Platz 4
Platz 2 der Abstimmung belegt „Langnese Cremissimo Bourbon Vanille“ von Unilever (26,8 Prozent der Stimmen). Foodwatch kritisiert „Shrinkflation“, also „Schrumpfung“: Unilever hat die Packungsgröße von 1300 auf 900 Milliliter verringert, dabei aber den Preis beibehalten. Platz 3 geht an „Veganer Schinken Spicker Mortadella“ von Rügenwalder Mühle (11,1 Prozent der Stimmen). Hier sehen die Verbraucherschützer eine Täuschung in der Behauptung „Auf Basis von Sonnenblumenkernen“. Tatsächlich enthalten sie aber nur zwei Prozent Sonnenblumenprotein. Platz 4 geht an den als „Hauptmahlzeit“ und „zum Abnehmen konzipiert“ beworbenen „Pretty Little Meal Bar“ der Marke Offset Nutrition. Das Produkt der Famous Brands GmbH erhielt 2,9 Prozent Stimmanteil. Tatsächlich enthält der Riegel fast fünf Zuckerwürfel und erhält NutriScore E, die schlechteste Bewertung, so die Verbraucherschützer von Foodwatch.