14. April 2023, 4:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Polyphenole tauchen die Natur in wunderschöne Farbnuancen und kommen ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Besonders spannend sind jedoch die gesundheitlichen Effekte der kleinsten, pflanzlichen Farbstoffe für den Menschen. Welche Erkenntnisse gelten mittlerweile als gesichert? Was bedeutet das für unsere Ernährung?
Für den Menschen besitzen Polyphenole in ihrer Funktion als wertvolle Antioxidantien ein facettenreiches Schutzpotential gegenüber Krankheiten. Welche gesundheitlichen Wirkungen belegt sind und wie man optimal von Polyphenolen aus Obst, Gemüse, Tee und Co. profitieren kann, lesen Sie hier.
Übersicht
Was sind Polyphenole?
Polyphenolische Verbindungen gehören zur Kategorie der sekundären Pflanzenstoffe. In der Natur sorgen sie in Form von Farbstoffen und natürlichen Aromastoffen dafür, dass Insekten wie Bienen zur Bestäubung angelockt oder Fressfeinde mithilfe von bitteren Nuancen abgewehrt werden.
Zusätzlich schützen verschiedene Polyphenole die Pflanzen als wertvolle Abwehrstoffe vor Krankheiten: An dieser Stelle kommt die Bedeutung der Antioxidantien für die menschliche Ernährung ins Spiel. Im Körper entfalten intensiv gefärbte Nahrungsmittel wie Blaubeeren, Grünkohl, Kirschen oder Matcha zellschützende Effekte. Und das ist nur eine Wirkung polyphenolischer Verbindungen auf die Gesundheit.
Die antioxidativen Partikel sind allen voran in den Randschichten der Pflanzen lokalisiert, wo sie Blumen, Gemüse und Co. vor aggressiven Sauerstoffmolekülen schützen.
Die chemischen Grundlagen von Polyphenolen
Es gibt zahlreiche Pflanzenphenole, die sich sowohl chemisch als auch strukturell voneinander unterscheiden. Allerdings verbindet sie alle ein gemeinsames Merkmal: Ein aromatisches Grundgerüst, an das OH-Gruppen (sogenannte Hydroxylgruppen: O=Sauerstoff, H=Wasserstoff) eingelagert sind.
Bei den Polyphenolen unterscheidet man vor allem zwischen
- Flavonoiden
- und den Phenolsäuren
Flavonoide: Farbintensive Untergruppe der Polyphenole
Diese Art von Polyphenolen ist besonders häufig in der Natur in Form von Farbstoffen vertreten. Da zahlreiche Antioxidantien gelb sind, erklärt sich der chemische Name (lat. flavus = gelb). Ein Beispiel hierfür ist der gelbe Naturfarbstoff Quercetin in Äpfeln. Neben gelben Flavonoiden gibt es jedoch auch rote, blaue und violettfarbene Verbindungen.
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Flavanole sind wiederum eine Untergruppe der Flavonoide, zu der beispielsweise phenolische Verbindungen in Zitrusfrüchten und sogenannte Catechine aus Tee gehören und in grünem Tee in besonderem Maße enthalten sind. Reagieren Catechine mit anderen Polyphenolen oder lagern sich mehrere Catechine zusammen, entstehen Gerbstoffe, die für ihre adstringierenden (zusammenziehenden) Eigenschaften bekannt sind. Reich an Gerbstoffen ist bspw. der Galgantwurzeltee.
Anthocyane aus Blüten, Blättern und Obst sind eine weitere Gruppe der Flavonoide, für die intensiv rote, violette und blaue Farbnuancen charakteristisch sind (griech. anthos = Blüte, kyanos = blau).
Phenolsäuren: „Abwehrende“ Untergruppe der Polyphenole
Während Flavonoide in der Natur als Farbpartikel in Erscheinung treten, spielen Phenolsäuren als antioxidative Abwehrstoffe gegenüber Fraßfeinden eine Hauptrolle. Im Gegensatz zu Flavonoiden, die hauptsächlich in Obst und Gemüse vorkommen, sind Phenolsäuren unter anderem in Getreide, Kaffee und Tee enthalten.
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Die Wirkung von Polyphenolen: Das sagt die Forschung
Es liegen zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen vor, die auf ein umfangreiches gesundheitliches Potenzial der phenolischen Verbindungen hindeuten.
Bezüglich der diskutierten Effekte wird zwischen Flavonoiden und Phenolsäuren unterschieden:
Wirkung von Flavonoiden: Während Studien auf ein reduziertes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen1,2 und bestimmte Krebsarten hindeuten, darunter Lungen-Karzinom und Dickdarmkrebs,1,3 gelten in Anlehnung an Tierversuche und In-vitro-Untersuchungen folgende gesundheitliche Wirkungen als möglich:
- antioxidativ
- abtibiotisch
- antiinflammatorisch (entzündungshemmend)
- blutdrucksenkend
- antithrombotisch (Schutz vor Thrombose)
- immunmodulierend (Einfluss auf das Immunsystem)
- positive neurologische bzw. kognitive Effekte
In einer Meta-Analyse konnte zudem gezeigt werden, dass eine Ernährung, die reich an Polyphenolen – allen voran an Flavonoiden – ist, sich präventiv auf das Risiko für Diabetes Typ 2 auswirken kann.4
Wirkung von Phenolsäuren: Neben einer möglichen antioxidativen Wirkung beim Menschen deuten wissenschaftliche Untersuchungen ebenfalls auf ein verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten hin.
Unklar ist hingegen bisher, wie sich die einzelnen Antioxidantien untereinander und gegenseitig mit anderen Mikronährstoffen beeinflussen. Zudem sind die ernährungsphysiologischen Zusammenhänge derart komplex, dass exakte Einzeleffekte von Anthocyanen und Co. noch weitere Untersuchungen bedürfen. Aus diesem Grund können bisher noch keine konkreten Zufuhrempfehlungen für sekundäre Pflanzenstoffe in Anlehnung an Vitamine und Mineralstoffe gegeben werden.
Superfood: Polyphenole in Lebensmitteln
Besonders reich an Polyphenolen sind intensiv gelb, orange, rot, violett sowie blau gefärbtes Obst und Gemüse, aber auch grüne Sorten wie Brokkoli. Hinzukommen weitere Lebensmittel wie Nüsse, Olivenöl, Soja und Co.
Lebensmittel, in denen reichlich Flavonoide enthalten sind (Auswahl):
- Äpfel und Birnen
- Beeren und Granatapfel
- grüner und schwarzer Tee
- Auberginen und Möhren
- Zwiebeln
- Zitrusfrüchte (u.a. Orangen und Zitronen)
- Kakao und Mohn
- Soja
- Olivenöl
- Kirschen und Pflaumen
- Brokkoli und Grünkohl
- Trauben und Rotwein
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Lebensmittel, in denen reichlich Phenolsäuren enthalten sind (Auswahl):
- Kaffee und Tee
- Vollkornprodukte
- Nüsse
- Wein
Quellen
- 1. Watzl B. (2012): Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, 12. Ernährungsbericht.
- 2. Kay CD et al. (2012): Relative impact of flavonoid composition, dose and structure on vascular function: a systematic review of randomised controlled trials of flavonoid-rich food products. Mol Nutr Food Res.
- 3. Woo HD, Kim J (2013): Dietary flavonoid intake and risk of stomach and colorectal cancer. World J Gastroenterol.
- 4. Johanna Rienks et al. (2018): Polyphenol exposure and risk oanalyses and systematic review of prospective cohort studies. Am J Clin Nutr
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Weitere Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2018): Polyphenole können präventiv auf Inzidenz von Diabetes mellitus Typ 2 wirken (aufgerufen am 12.04.2023)
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2012): Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkung auf die Gesundheit (aufgerufen am 12.04.2023)
- Lebensmittelchemisches Institut des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (2003): Was sind eigentlich Polyphenole? (aufgerufen am 12.04.2023)