12. November 2019, 21:08 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Zum letzten Mal in diesem Jahr wagten sich Gründer mit der Bitte um (finanzielle) Unterstützung in „Die Höhle der Löwen“. Darunter: die Berliner Paul Seelhorst und Leon Benedens, die im „Fairment“-Onlineshop bereits eine ganze Produktwelt rund ums Fermentieren vertreiben. Mikroorganismen aus fermentierten Nahrungsmitteln sollen reichlich positiven Effekt auf die (Darm-)Gesundheit haben. FITBOOK hat mit einem der Gründer gesprochen und auch noch bei Experten nachgefragt.
Im 2019er Finale von „Die Höhle der Löwen“ müssen die beiden Gründer Paul Seelhorst und Leon Benedens erst einmal ausführlich erklären, welche verschiedenen Produkte sie im „Fairment“-Onlineshop bereits vertreiben. Neben einem fertigen Kombucha in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen sind das u.a. Sets zum Selbstherstellen des fermentierten Teegetränks, außerdem zum Fermentieren von Gemüse, zum Backen von Sauerteigbrot, verschiedene Rezepte, und und und.
Was bedeutet Fermentation?
„Durch Fermentation werden leicht verderbliche Nahrungsmittel (wie Gemüse, Obst, Milchprodukte) durch den Zusatz probiotischer Mikroorganismen, etwa aus Bakterien oder Pilzen, haltbarer gemacht. Dabei verändert sich der Geschmack ins leicht Säuerliche. In erster Linie geht es beim Fermentieren um den Effekt auf die Darmflora, die von einer Besiedelung bestimmter Lebendbakterien profitieren soll.“–
Wie sind die Gründer auf die Idee gekommen?
In ihrem Pitch erklären die Männer, dass die Darmflora von großer Bedeutung für das Befinden und den gesamten Körper ist. Sie selbst wollen mit Verdauungsproblemen und daraus resultierenden Gesundheitsstörungen zu kämpfen gehabt haben, bis sie diese mithilfe der Kombucha-Kultur lindern konnten.
Um eine Erfindung handelt es sich dabei nicht, sondern vielmehr um ein „sagenumwobenes, in Vergessenheit geratenes Produkt“, wie sie einleiten. Schließlich ist Fermentiertes in der asiatischen Ernährung (beispielsweise in koreanischem Kimchi) gang und gäbe; und auch wir kennen Sauerkraut oder Joghurt aus der heimischen Ernährung. Wie die „Fairment“-Gründer erklären, wollen sie Fermentiertes wieder in Erinnerung rufen – und vor allem zugänglicher machen.
Wofür steht „Fairment“?
Ihr Vorzeigeprodukt: eine Baubox, mit der jeder Kombucha selbst herstellen können soll. Wie das geht? Um ungefähr drei Liter Kombucha herzustellen, verwenden sie einen Liter aufgebrühten Oolong-Tee („Sie könnten aber auch grünen Tee nutzen, schwarzen Tee, das spielt im Grunde keine Rolle“, merkt Benedens an), außerdem Zucker und zwei Liter kaltes Wasser. Die wichtigste Zutat ist die Kombucha-Kultur in Form eines Teepilz mitsamt Ansatzflüssigkeit.
Nach dem Verrühren muss das Glas luftdurchlässig abgedeckt werden und die Flüssigkeit eine Woche ziehen. In dieser Zeit sollen die lebendigen Hefen den Zucker essen und in der Folge eine Art erfrischender, prickelnder Eistee entstehen. Dass der Glasinhalt „lebt“, hat einen praktischen Vorteil: Wenn man ein wenig übrig lässt, soll sich – nur durch das Zufüttern mit frischem, süßem Tee – neuer Kombucha herstellen lassen können.Auch interessant: Alles, was Sie über Fermentieren wissen müssen
Für wen ist „Fairment“ gedacht?
Die Gründer empfehlen jedem, fermentierte Lebensmittel in die Ernährung einzubauen. Zumal bei jedem vierten Deutschen die Darmflora im Ungleichgewicht sei. Und wie Seelhorst im Gespräch mit FITBOOK erklärt, ist das keine wirkliche Überraschung. „Wir sind in der heutigen Zeit davon abgekommen, Lebensmittel traditionell zuzubereiten“, sagt uns der der 34-Jährige, der sich vor „Fairment“, wie sein Partner auch, mit artgerechter Ernährung befasst haben will. „Solche, die wir früher in kleineren Mengen zu uns genommen hätten – dazu gehören Getreide, Zucker und Milchprodukte – nehmen wir heute vermehrt in größeren Mengen zu uns.“ Würde man beispielsweise unbehandelte Milch trinken, in der noch Mikroorganismen und Enzyme enthalten sind (oder eben in fermentierter Form), würde laut Seelhorst Laktose besser abgebaut; also der Bestandteil der Milch, der gemeinhin nicht so gut vertragen werde. Durch Fermentieren sollen auch verschiedene andere Stoffe bioverfügbarer und besser verdaulich werden.
Fermentieren zum Entgiften
Seelhorst fügt hinzu, dass Fermentiertes neben der Darm- auch die Leberfunktion und somit weiterhin die Entgiftung unterstützt. Einige Toxine, die in der Leber sitzen, würden dadurch wasserlöslich gemacht und könnten deshalb leichter über den Urin ausgeschieden werden. Das erklären die beiden in der Sendung. Dadurch winke nicht nur ein besseres Befinden, sondern auch „schönere Haut“. Kann das sein?
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Was sagen unabhängige Experten?
„Ja, eine gesunde Darmflora zeigt sich auf der Haut – selbstverständlich“, bestätigt Ernährungs- und Gesundheitsberaterin Helena Ahonen im Gespräch mit FITBOOK. „Hautunreinheiten aufgrund von schlechter Ernährung hat wahrscheinlich jeder schon erlebt.“
Auch die anderen Behauptungen von „Fairment“ würde sie so stehenlassen. „Fermentierte Lebensmittel enthalten, wenn sie nicht pasteurisiert sind, eine Menge guter Milchsäurekulturen und Mikronährstoffe. Das hat eine positive Wirkung auf den Darm und dadurch viele gesundheitliche Vorteile.“ Etwa sollen sie das Immunsystem stärken, da Milchsäurebakterien die Produktion von Immunglobulin A (kurz: IgA) in den Schleimhäuten stimulieren. Und: „Fermentierte Lebensmittel sind von Bakterien quasi schon vorverdaut“, so Ahonen weiter. „Deshalb können daraus Vitamine, Mineralien und Spurenelemente von unserem Körper besser aufgenommen werden.“
Damit ist sie derselben Meinung wie Medizinjournalist Sven-David Müller. Er hat uns schon häufiger den regelmäßigen Verzehr fermentierter Lebensmittel empfohlen, also beispielsweise von Kefir, Joghurt, Sauerkraut oder Kombucha. Hier erklärt er genauer, wie Probiotika die Immunkraft des Körpers stärken und Allergien sowie Unverträglichkeiten vorbeugen sollen.
Gibt es Kombucha nicht schon längst?
Die „Fairment“-Gründer erklären auf Nachfrage der Löwen, dass ihr Produkt – also auch das fertige Getränk, das sie in Flaschen verkaufen – nichts mit dem industriellen Kombucha-Tee eines Getränkeherstellers zu tun hat, der seit einigen Jahren auf dem Markt ist. Geschmacklich sei es ihm vielleicht ähnlich, weil auch der andere Kombucha mithilfe eines Kombucha-Pilzes hergestellt, nachher allerdings mit Zucker versetzt und vor allem erhitzt würde. Wie wir bereits gelernt haben, sollen sich durch „Pasteurisieren“ die gesundheitsförderlichen Eigenschaften verlieren.
Übrigens, Ernährungsexpertin Ahonen würde auch den meisten Produkten, die mit ihrer probiotischen Eigenschaft beworben werden, abraten. „Das ist reine Geldverschwendung und belastet die Umwelt. Ich kann nur alle empfehlen, selbst zu fermentieren“, sagt sie uns.
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Deal or no deal?
Das könnte man mit den Fairment-Sets ja machen. Und von der Idee sind auch die Löwen grundsätzlich überzeugt – vor allem Judith Williams, die schon in den vorangegangenen Folgen immer wieder ihr Interesse an darmgesundheitsfördernden Maßnahmen bekundet hat. Allerdings schockten die Männer schon zu Beginn ihrer Präsentation mit ihrer Forderung: stolze 950.000 Euro gegen gerade einmal zehn Prozent der „Fairment“-Firmenanteile. Und daran soll es am Ende auch scheitern. Auf ein Doppel-Gegenangebot von Williams und Frank Thelen gehen die Gründer nicht ein und schließlich ohne Deal nach Hause.
„Das fanden wir in dem Moment natürlich schade“, gesteht Paul Seelhorst rückblickend im FITBOOK-Interview, und: dass ihr Angebot vielleicht doch ein klein wenig zu steil war. Letztenendes bereuten sie aber nichts und sind keineswegs als Verlierer aus der Sendung hervorgegangen. „Fairment“ funktioniere vielleicht nicht ganz so schnell, wie es mit der Hilfe eines Löwen der Fall gewesen wäre, aber Seelhorst und Benedens sind absolut zufrieden.