31. Juli 2023, 14:15 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Manche Kinder lieben den Geschmack von alkoholfreiem Bier, unsere Autorin kann davon ein Lied singen. Es enthält bekanntermaßen Restalkohol von bis zu 0,5 Volumenprozent. Ist das gesundheitlich bedenklich?
Als ich heute Morgen die Schlagzeile zu „Bad Moms“-Star Kristen Bell gelesen habe, fühlte ich mich ertappt: Die Schauspielerin hatte in einer US-amerikanischen TV-Show erzählt, dass sie ihre achtjährige Tochter alkoholfreies Bier trinken lässt, was sie schon als Baby gemocht habe. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen mir jetzt folgen können – aber ich kenne das nur zu gut. Auch mein Kind mag alkoholfreies Bier.
Warum unser Sohn alkoholfreies Bier mag
Mein Mann und ich trinken gerne alkoholfreies Bier. Ich persönlich finde, dass alkoholfreie Biere, die in Deutschland bis vor wenigen Jahren noch ein absolutes Schattendasein führten und lasch wie abgestandenes Brackwasser schmeckten, geschmacklich inzwischen von vielen Marken überzeugen können.
Wir mögen also den Geschmack von alkoholfreiem Bier. Und unser Sohn teilt diese Vorliebe. Das hat uns Anfangs überrascht (weil herb?), dann aber auch wieder nicht, denn alkoholfreies Bier wird auch mit ein wenig Zucker süffig gemacht. Und schließlich ist für Kinder alles interessant, was die Eltern konsumieren. Kaum steht eine Flasche alkoholfreies Bier auf dem Tisch, zeigt unser Sohn (inzwischen 21 Monate) mit seinen Fingerchen in die Richtung. Begleitet von einem bestimmten „Auch!“ Wir reichen ihm dann die Flasche – er ist natürlich sehr stolz darauf, daraus trinken zu können – und er darf daran nippen.
Geben wir unserem Sohn etwas Falsches mit, wenn er an alkoholfreiem Bier nippen darf?
Wann er dieses Interesse zum ersten Mal signalisiert hat, weiß ich nicht mehr so genau. Vermutlich war er nicht älter als ein halbes Jahr. Ich erinnere mich noch an einen Besuch in der Redaktion, bei dem er, zur Verwunderung meiner Kollegen, freudestrahlend an meinem (alkoholfreien) Bier nippte. Beim Nippen ist es über die Zeit nicht geblieben; mit seinen inzwischen 21 Monaten trinkt er gerne mal einen Schluck, wir erlauben ihm auch zwei. Und bevor er komplett deswegen ausrastet (er ist jetzt in der Trotzphase), darf er auch ein drittes Mal ansetzen.
Natürlich wissen wir, dass alkoholfreiem Bier nicht vollständig der Alkohol entzogen wurde, es enthält noch bis zu 0,5 Volumenprozent. Andererseits sagt der gesunde Menschenverstand, dass die Wirkung von ein paar Schlucken alkoholfreiem Bier niemals dieselbe sein kann wie die eines aus Versehen getrunkenen Eierlikörs (wozu es hoffentlich nie kommt!). Und war nicht Malzbier (2,0 Volumenprozent) früher ein Kindergetränk? Wie auch immer: Geben wir unserem Sohn durch die Gewöhnung an den Biergeschmack etwas Falsches mit?
Auch interessant: Wie die Fitness der Eltern die ihrer Kinder beeinflusst
Kinder und alkoholfreies Bier – das sagen Ernährungsexperten
Wie ist das gesundheitlich zu sehen? Ich frage nach bei Ernährungsexperten. Der Medizinjournalist Sven-David Müller erklärt mir, dass alkoholfreies Bier – abgesehen von vielen Kalorien und einem hohen glykämischen Index – zwar keine Auswirkungen auf Kinder hat, die Gewöhnung an den Alkoholgeschmack im Kindesalter (und natürlich auch im Jugendalter) jedoch absolut kritisch zu sehen ist. Diese Meinung teilt auch Mediziner Matthias Riedl.
Kinder sollte man „so alkoholfrei wie möglich“ erziehen und nicht zusätzlich über die normale Ernährung hinaus mit Alkohol konfrontieren, erklärt Müller. Alkohol in der normalen Ernährung? Diese Aussage macht mich stutzig.
„Komplett alkoholfrei kann man Kinder gar nicht ernähren!“, erklärt mir Sven-David Müller. Jeder Fruchtsaft, der etwas länger im Kühlschrank steht, enthalte durch die Gärung „mindestens genauso viel oder mehr“ Alkohol wie eine Flasche alkoholfreies Bier! Obstsäfte würden zum Zeitpunkt der Abfüllung bereits drei Gramm Alkohol pro Liter enthalten. Das entspricht etwa 0,4 Volumenprozent, also fast dem Restalkoholgehalt von alkoholfreiem Bier. Müller: „An der Grenze zum Umkippen steigt der Alkoholgehalt in Säften schnell auf fünf Gramm“ – und läge damit sogar über dem von alkoholfreiem Bier. Besonders „anfällig“ sind laut Müller Trauben- und Apfelsäfte, wenn sie länger offen stehen. Dasselbe gilt übrigens für fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut oder Kefir.
Und was ist mit komplett alkoholfreiem 0,0-Bier?
Wir sind inzwischen übrigens dazu übergegangen, Bier mit 0,0 Volumenprozent zu bestellen, wenn unser Sohn dabei ist. Das gibt es zum Glück immer häufiger. Und unserem Sohn schmeckt es genauso gut. Ernährungsexperte Müller findet das in Ordnung. Auch wenn man natürlich auch hier einwenden kann, dass trotzdem eine Gewöhnung an den Biergeschmack geschieht. Von der Industrie sicher auch nicht ganz unbeabsichtigt …
Auch interessant: Der Effekt einer kleinen Menge Alkohol am Tag auf das Herzinfarktrisiko
Gesundheit 8 Lebensmittel mit verstecktem Alkohol
Experteneinschätzung Alkoholfreies Bier soll schlank machen – was ist dran?
Genuss mit weniger Kalorien Darf ich (Light-)Bier trinken, wenn ich mich ketogen oder low carb ernähre?
Persönliches Fazit der Autorin
Das Gesetz sagt übrigens: Alkoholgetränke mit niedrigem alkoholischem Gehalt sind ab 16 Jahren erlaubt. Und Ernährungsmediziner Riedl weist darauf hin, dass wiederholte Alkoholexzesse in der Jugend nach neuestes Erkenntnissen mit einem erhöhten Risiko für Herzschwäche verbunden sind. So weit wollen wir es natürlich unter keinen Umständen kommen lassen! Deshalb gilt bei uns ab sofort: Kein alkoholfreies Bier mehr für den Sohnemann – auch nicht daran nippen lassen. Kurze Wutanfälle sind langfristig gesehen das eindeutig kleinere Übel. Ebenso tabu bleibt Malzbier, was aufgrund seiner 2,0-Volumenprozent viermal so viel Alkohol enthält (von indiskutablen acht Gramm Zucker auf 100 Milliliter mal abgesehen). Bei Säften, die schon etwas länger im Kühlschrank stehen, werde ich zukünftig genauer hinschnuppern (einen vergorenen Saft riecht man). Aber Säfte trinkt unser Sohn ohnehin kaum, daran haben wir ihn – anders als an alkoholfreies Bier – nie gewöhnt.