29. April 2020, 5:03 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Caprylsäure ist eine gesättigte Fettsäure und kommt in verschiedenen Lebensmitteln von Natur aus vor. Mehr und mehr Ernährungsbewusste setzen auf konzentrierte Caprylsäure, die zu den MCT-Fettsäuren gehört, und versprechen sich davon eine verbesserte Fettverbrennung. Warum die Fettsäure (vor allem in der Keto-Szene) gerade einen regelrechten Hype erfährt und ob alles stimmt, was man so Vorteilhaftes darüber sagt – FITBOOK hat Experten um ihre Einschätzung gebeten.
Bulletproof-Coffee hat sich vom Trend zur festen Konstanten in der Ernährung einiger figur- und fitnessbewussten Menschen entwickelt. Der „kugelsichere Kaffee“ besteht aus seiner namensgebenden Hauptzutat und einem guten Esslöffel Butter – FITBOOK hat den Bulletproof Coffee ausprobiert und bereits darüber berichtet. Konsumenten der fettigen Extra-Kalorien wollen, so paradox es klingen mag, ihre Fettverbrennung ankurbeln. Zudem soll man dank Bulletproof Coffee am Morgen „vorgesättigt“ und bei den Mahlzeiten entsprechend zurückhaltender sein. Statt Butter soll das Ganze auch mit Kokosöl funktionieren – oder eben mit reiner Caprylsäure.
Was ist Caprylsäure?
Eigentlich handelt es bei Caprylsäure um nichts Neues. „Vermutlich haben Sie heute bereits Caprylsäure aufgenommen“, so Ökotrophologe Prof. Nicolai Worm zu FITBOOK, „sofern sie ein fetthaltige Milchprodukt konsumiert haben.“ Neben Kuh- und Ziegenmilchprodukten komme die Fettsäure auch bspw. in Palmkern- und Kokosfett vor – und findet übrigens auch Verwendung in der Herstellung von Kosmetik und Schädlingsbekämpfungsmitteln.
Man schmeckt sie nicht etwa raus – und das wäre wohl eher unerwünscht, Caprylsäure ist für einen eher ranzigen Geschmack „nach Ziege“ bekannt. Wer die italienische Sprache oder Latein beherrscht, dürfte einen Hinweis darauf bereits im Namen erkannt haben (capra/caper steht für Ziege oder Ziegenbock). Jedenfalls macht Caprylsäure von Natur aus einen kleinen Anteil von Lebensmitteln aus. In Butter etwa sind es durchschnittlich 1,2 Prozent. Kokosöl hingegen besteht zu bis zu neun Prozent daraus.
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Wie nimmt man Caprylsäure zu sich?
Neben Butter oder handelsüblichem Kokosöl gibt es auch aus Kokosnüssen gewonnene reine Caprylsäure oder Misch-Produkte aus Capryl- und Caprinsäure. Bei Letzterer handelt es sich ebenfalls um eine Fettsäure aus z. B. Palm- und Kokosöl (kommt aber auch in Ziegenmilchfett vor) mit ganz ähnlichen Eigenschaften wie die Caprylsäure.
Im Handel oft als MCT-Öl bezeichnet, soll man damit nicht nur den Kaffee, sondern praktisch jede Speise anreichern können, bspw. das Müsli oder Smoothies.
Wofür steht „MCT“?
FITBOOK hat sich auch an Ernährungsexperten Sven-David Müller gewandt, der über das Thema bereits vor Jahren ein Buch geschrieben hat („MCT – das Fett, das nicht dick macht“). Und was hinter der Bezeichnung MCT steckt, klingt fast nach Chemieunterricht. „MCT steht für medium chain triglycerides, zu Deutsch: mittelkettige Triglyzeride mit der Abkürzung MKT. Caprylsäure ist eine mittelkettige Fettsäure. Caprylsäure hat acht C-Atome und Caprinsäure zehn C-Atome“, erklärt Müller. Von vielen bevorzugt wird Capyrlsäure (auch C8-MCT-Öl genannt), weil sie schneller Energie liefern soll als C10.
Was bewirkt Caprylsäure im Körper?
Die Fettsäure soll einige gesundheitsförderliche Eigenschaften mitbringen. Als Nahrungsergänzungsmittel in Kapsel- oder Ölform soll sie als vermeintlicher Energiespender die Konzentration sowie körperliche Leistungsfähigkeit erhöhen. „Mit mittelkettigen Fettsäuren wie der Caprylsäure kommt man auch schneller in die Ketose“, weiß Prof. Worm. Seiner Einschätzung nach ist das einer der wesentlichen Gründe dafür, dass sie gerade einen gewissen „Hype“ erfahren.
Caprylsäure und ketogene Ernährung
Zur Erinnerung: Bei der sogenannten Ketose, oft auch „Hungerstoffwechsel genannt“, kommt es zum Aufkommen von Ketonkörpern (auch „Ketone“) im Blut. Diese versorgen die Zellen mit Energie – alternativ zu bspw. Glukose. Die Ketose soll zudem die Fettverbrennung ankurbeln und somit eine Diät fördern. Darüber hinaus diskutieren Gesundheits- und Ernährungsexperten einen unterstützenden Effekt auf die Behandlung verschiedener Erkrankungen wie Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson.
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Wer in die Ketose kommen will, soll wahlweise dauerhaft eine ketogene Diät einhalten (sprich: den Ernährungsschwerpunkt auf Eiweiß- sowie Fetthaltiges legen und Kohlenhydrate meiden – hier erklären wir ketogene Ernährung genauer) oder auf Heilfasten setzen können. Für Variante eins empfehle sich die Zufuhr mittelkettiger Fettsäuren, etwa in Form von Caprylsäure. „Daraus werden besonders effektiv die Ketone gebildet“, so Prof. Worm.
Abnehmen mit Caprylsäure?
Also noch einmal: Die Aufnahme von Caprylsäure kann in Verbindung mit einer auf Ketose ausgerichteten generellen Ernährungsweise dabei helfen, einen ketogenen Stoffwechsel zu entwickeln – und in der Folge den Fettstoffwechsel fördern. Ein Abnehmwunder ist es deshalb noch lange nicht. Das versichert uns auch Ernährungswissenschaftler und Medizinjournalist Müller. „Wer die Caprylsäure zusätzlich zum normalen Essen zu sich nimmt, ohne Kalorien einzuschränken, nimmt natürlich zu“, versichert Experte Müller. „Jedes Pfund geht durch den Mund und eine Kalorie ist eine Kalorie.“
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Hilft Caprylsäure gegen den Candidapilz?
Wenn man den Begriff in die Internetsuchmaschine eingibt, wird Caprylsäure häufig als Heilmittel gegen den Candida albicans (umgangssprachlich Candidapilz) bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen Hefepilz, der u. a. aufgrund von Stress, Medikamenteneinnahme und einem generell geschwächten Immunsystem auf Haut und Schleimhäuten (z. B. im Intimbereich) auftreten kann. Im Darm kommt als mögliche Ursache für einen Candidapilz häufig eine sehr zuckerreiche Ernährung hinzu.
Und tatsächlich beinhalten Mittel gegen den Candidapilz häufig Caprylsäure, bestätigt im Gespräch mit FITBOOK Internist und Ernährungsmediziner Dr. med. Matthias Riedl. Das bedeute aber nicht, dass man einen etwaigen Darmpilz damit selbst zu behandeln versuchen sollte.
„Bis zu einer bestimmten Konzentration sind Candidapilze im Darm normal“, erklärt uns der Facharzt. Sollten sie in einer kritischen Menge nachweisbar sein, könne das auf eine Störung der Darmflora hinweisen – „und dann sollten nicht die Pilze bekämpft, sondern den noch vorhandenen Bakterien die Lebensbedingungen verbessert werden“. Mit anderen Worten helfe es laut Dr. Riedl nicht, sich weiter schlecht zu ernähren und die guten Bakterien mit Caprylsäure auszuhungern.
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Fazit zu Caprylsäure
Sofern man Lebensstil und generelle Ernährungsgewohnheiten daran anpasst, kann Caprylsäure dabei helfen, die Fettverbrennung anzukurbeln. Sie einfach auf die Tageskalorien draufzupacken, unterstützt einen Abnehmwunsch logischerweise nicht. Und in Sachen Darmpilzbefall wenden Sie sich bitte in jedem Fall an einen Experten.