28. September 2024, 7:55 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Es ist ein Produkt, das viele Menschen an ihre Kindheit erinnert: Capri-Sun, früher Capri-Sonne genannt. Neben dem bunten Treiben von Marktneueinführungen und Produkteliminationen hat Capri-Sun es geschafft, eine Konstante im Supermarkt zu sein. Heutige Eltern können ihrem Nachwuchs nun ihren eigenen Kindheitsfavoriten kaufen. Doch welche Nährstoffe stecken eigentlich in einem Päckchen – und vor allem: wie viel Zucker? FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke nimmt das Kindergetränk unter die Lupe.
Es sind kleine, gekühlte Trinkpäckchen, die sich insbesondere im Sommer großer Beliebtheit bei Kindern erfreuen. Die Rede ist von Capri-Sun. Im Jahr 2013 sackte das Familienunternehmen jedoch den Negativpreis „Goldener Windbeutel“ für die dreisteste Werbemasche ein. Die damaligen Marketingaktivitäten richteten sich direkt an Kinder und suchten dabei gezielt die Nähe zum Sport. Auch Unterrichtsmaterial für Grundschullehrer war auf der Homepage zu finden. Eine Empfehlung war dazu gelernt? Wie viel Zucker steckt heutzutage in dem Kindergetränk und ist Capri-Sun wirklich so ungesund?
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Übersicht
Was ist eigentlich ein Fruchtsaftgetränk?
Capri-Sun wird als Fruchtsaftgetränk vertrieben. Diese bestehen meist aus Wasser, Fruchtsaft oder –mark sowie Zucker und Aromen. Lebensmittelrechtlich gibt es Vorgaben, wie hoch der Anteil an Fruchtsaft sein muss. Im Fall von Zitrusfrüchten (Capri-Sun Orange) sind das schlappe sechs Prozent. Die Hersteller dürfen freiwillig aber auch mehr Fruchtsaft hinzugeben. Für Fruchtsaftgetränke mit Kernobst, Trauben oder Mischungen daraus sind mindestens 30 Prozent die Vorgabe.1
Fruchtsaftgetränke heben sich demnach ab von Fruchtsäften, die zu 100 Prozent aus Frucht bestehen, sowie Fruchtnektar, welcher je nach Fruchtart zu 25 bis 50 Prozent aus Frucht besteht. Nektar wird zusätzlich Zucker beigegeben.
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So viel Zucker steckt in Capri-Sun
Das Familienunternehmen schreibt auf der Website, der zugefügte Zucker süße ihr Produkt und konserviere es auf natürlichem Wege. Seit der Markteinführung 1969 arbeite man stetig daran, den Zuckergehalt zu reduzieren. Die meisten Trinkpäckchen (200 Milliliter) enthielten weniger als 8,8 Gramm Zucker pro 100 Milliliter, was weniger wäre als in einem gleichwertigen Fruchtsaft. Wie viel Zucker in dem Fall in einem ganzen Päckchen steckt, rechnet der Hersteller den Verbrauchern leider nicht vor. Es sind insgesamt stolze 17,4 Gramm – gern geschehen.2
Der Klassiker Capri-Sun Orange enthält zwölf Prozent Fruchtsaft (Orange, Zitrone, Limette) und liefert pro 200-Milliliter-Päckchen glatte 16 Gramm Zucker. Dementsprechend stecken in solch einer Portion ca. anderthalb Esslöffel reiner Fruchtsaft – eine Menge, die wohl keiner Hochrechnung zum Vitamingehalt bedarf. Übrigens: Der Hersteller hält an dieser Stelle sein Versprechen. Orangensaft in äquivalenter Menge enthält tatsächlich mehr Zucker: nämlich ein Gramm. Dafür wohl auch wesentlich mehr Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe.
Zero-Produkte – jetzt auch für Kinder
Neben dem Standardsortiment gibt es seit diesem Jahr auch eine Zero-Variante. Die fehlende Süße wird gleich durch drei Süßstoffe ersetzt: Sucralose, Cyclamat und Saccharin. Wenn Süßstoffe schon für Erwachsene ab bestimmten Mengen nicht gerade gesund sind, werden sie das für Kinder wohl erst recht nicht sein, oder? Doch dazu in diesem Artikel mehr.
Von angeblicher Nachhaltigkeit und Cocktails für Kinder
„Ich muss zugeben, auch meine Kindheit war von Capri-Sun geprägt. Nicht, dass sie regelmäßig auf den Tisch kam. Doch wenn, war es ein besonderes Erlebnis. Abgesehen davon, dass ich inzwischen erwachsen bin, weiß, was Zucker mit dem Körper macht, und mir das Getränk auch viel zu süß wäre, habe ich jedoch noch mehr Gründe gefunden, warum Capri-Sun für mich heutzutage ein absolutes No-Go ist.
Denn ein Blick auf den deutschsprachigen Instagram-Account hat mich stutzig werden lassen. Zum einen fällt mir direkt eine Petition ins Auge, die von der Firma selbst ins Leben gerufen wurde: Sie fordern Plastik-Trinkstrohhalme zurück! Und das, obwohl sie auf ihrer Website ihre Vision vom ’nachhaltigsten Kindergetränk der Welt‘ teilen. Zwar aus recycelbarem Material, doch wissen wir alle, dass nur ein Teil der Konsumgüter aus solchem Material tatsächlich ein zweites Leben erhält.
Was mir ebenfalls übel aufstieß: ein kindgerechtes Mojito-Rezept. Dieses enthält einen Schuss zuckrigen Sirup der Firma selbst sowie weitere gängige Zutaten des Cocktails. Perfekt, um Kindern spielerisch Alkoholkonsum näherzubringen. Vielleicht sollten sie die Papierstrohhalme einfach durch Kaugummizigaretten ersetzen – würde zum Konzept passen.“
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Die Folgen eines hohen Zuckerkonsums in der Kindheit
Die gute Nachricht zuerst: Die mittlere Aufnahme von freiem Zucker hat sich bei Kindern und Jugendlichen von 2010 bis 2023 von knapp 17 Prozent der Tagesenergieaufnahme auf knapp zwölf Prozent reduziert. So die Ergebnisse der DONALD-Studie („Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed“). Die schlechte Nachricht: Die Werte sind nach wie vor höher als die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung von maximal zehn Prozent. Zudem könnten die tatsächlichen Zahlen noch höher liegen. Denn es handelt sich hierbei um Selbstauskünfte, bei denen die ein oder andere Süßigkeit mal „vergessen“ werden könnte.3
Die Folgen eines hohen Zuckerkonsums sind weitreichend für die Gesundheit. In Deutschland nimmt der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder laufend zu. Das Bundesministerium für Gesundheit berichtet, dass 9,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig und 5,9 Prozent adipös sind. Dies stellt einen Risikofaktor für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Gelenkprobleme oder Depressionen dar. Zudem bleibt in der Kindheit entwickeltes Übergewicht oft ein Leben lang bestehen.4 Wenn Kinder zucker- und fettreich essen, weisen sie offenbar häufig bereits im Jugendalter erste Blutgefäßschäden auf, wodurch die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen befeuert wird – so die Ergebnisse einer Studie der University of Bristol, an der mehr als 4700 Heranwachsende teilnahmen.5 Auch eine mögliche Diabetes-Erkrankung ist nicht ohne: Einer Studie zufolge kann diese die Lebenserwartung um knapp zwei Jahre schmälern.6
Es lässt sich wohl festhalten, dass Capri-Sun nur für kurze Zeit Freude bereitet. Auf lange Sicht können die Extraportionen flüssiger Zucker jedoch ernsthaft der Gesundheit von Kindern schaden. Wer seinem Kind dennoch eine fruchtige Freude machen will, mischt am besten selbst Saftschorlen an. Idealerweise in einem Verhältnis von 30 bis 40 Teilen Saft und 60 bis 70 Teilen Wasser.