26. Juni 2024, 14:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Brokkoli ist nicht nur eine Nährstoffbombe, der Kohl enthält sogar chemische Verbindungen, die Krebs bekämpfen! Und wie das grüne Gemüse diese Verbindungen produziert, hat ein chinesisches Forschungsteam mit modernster Technologie entschlüsselt – sie konnten den genetischen Code knacken. Heißt das, wir essen in Zukunft nur noch gezüchteten „Super-Brokkoli“? FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke berichtet.
Auch wenn Kinder gerne mal beim Anblick von Brokkoli das Gesicht verziehen: Ernährungs- und Fitnessexperten sind von seiner positiven Wirkung auf die Gesundheit überzeugt. Neben jeder Menge Vitaminen und Mineralstoffen enthält er die für Kreuzblütler typischen Glucosinolate, allen voran das stark antioxidativ wirkende Sulforaphan. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind für den unverwechselbaren Geschmack des Brokkolis und auch die gesundheitlichen Vorteile verantwortlich. So soll der regelmäßige Verzehr von Brokkoli sogar wirksam gegen Krebs sein. Wissenschaftler der Universität Heidelberg konnten 2008 in Tierversuchen nachweisen, dass Sulforaphan die besonders aggressiven Tumorstammzellen angreift.1 Außerdem wurden die Wirkmechanismen, durch welche Glucosinolate die Karzinogenese (Tumorentwicklung) hemmen, aufgedeckt.2 Ein Forscherteam in China hat nun kürzlich einen weiteren Meilenstein erreicht: Sie konnten das Genom des Brokkoli mit enormer Detailgenauigkeit entschlüsseln und so das genetische Geheimnis lüften, wie er die nützlichen Glucosinolate zu produziert.3
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Übersicht
- Moderne Technologie identifiziert Schlüsselgene
- MAM-Gene sorgen für hohe Produktion der Glucosinolate
- Brokkoliwurzeln sind besonders reich an Glucosinolaten
- Einschränkungen der Studie
- Was die Forschungsergebnisse für die Zukunft bedeuten
- Die gesundheitlichen Vorteile nutzen: Braucht es hoch dosierte Supplemente oder reicht es Brokkoli zu essen?
- Quellen
Moderne Technologie identifiziert Schlüsselgene
Die in der Studie verwendete Technologie ermöglicht einen genauen Einblick in die Art und Weise, wie Brokkoli seine gesundheitsfördernden Verbindungen auf genetischer Ebene produziert. Dank einer Kombination verschiedener DNA-Sequenzierungstechnologien konnte eine umfassende „Karte“ des Brokkoli-Genoms erstellt werden, mithilfe welcher die Gene bestimmt werden können, die für die Produktion der Glucosinolate verantwortlich sind. Insgesamt konnten 93 Prozent der geschätzten Gesamtgenomgröße identifiziert werden, womit diese Forschungsarbeit aktuell die detailreichste Darstellung des Brokkoli-Genoms liefert.
Besonders interessiert waren die Wissenschaftler an Schlüsselgenen, die an der Produktion von Glucosinolaten, allen voran Glucoraphanin, beteiligt sind. Durch Hacken oder Kauen von Brokkoli wird Glucoraphanin in Sulforaphan umgewandelt, eine Verbindung, die nachweislich das Risiko verschiedener Krebsarten senkt.
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MAM-Gene sorgen für hohe Produktion der Glucosinolate
Die sogenannten MAM-Gene sind bereits an den ersten Schritten der Glucosinolat-Produktion beteiligt. Und die Studie zeigt, dass Brokkoli sogar sechs MAM-Gene in sich trägt. Zum Vergleich zogen die Forscher den verwandten Kreuzblütler Schotenkresse heran, welche lediglich drei dieser Gene aufweist. Diese Erweiterung der MAM-Gene trägt wahrscheinlich dazu bei, dass Brokkoli in der Lage ist, hohe Mengen der gesundheitsfördernden Glucosinolate zu produzieren.
Brokkoliwurzeln sind besonders reich an Glucosinolaten
Weiterhin betrachteten die Forscher die Genexpressionsmuster in verschiedenen Brokkoligeweben sowie Wachstumsstadien der Pflanze. Es zeigte sich, dass viele Gene, welche mit der Produktion der Glucosinolate in Zusammenhang stehen, in den frühen Wachstumsphasen exprimiert wurden – und zwar in den Wurzeln. Die sekundären Pflanzenstoffe wandern im Laufe des Wachstums wahrscheinlich von dort in andere Teile der Pflanze, einschließlich der essbaren Röschen.
Diese Erkenntnis bekräftigt den Trend, Brokkolisprossen bzw. -keimlinge in seine alltägliche Ernährung einzubauen – wenngleich dieser vorwiegend auf den Anti-Aging-Effekt abzielt. Denn die Sprossen liefern etwa zehnmal mehr Sulforaphan als (ausgewachsener) Brokkoli.
Einschränkungen der Studie
Trotz der wegweisenden Entschlüsslung des genetischen Codes gibt es einige Einschränkungen der Forschungsarbeit. Zum einen konzentrierte sie sich auf eine einzige Brokkolisorte, was genetische Variationen bei anderen Sorten unberücksichtigt lässt. Zum anderen bleiben noch geschätzte sieben Prozent des Genoms unentschlüsselt. Weiterhin fanden die Untersuchungen unter kontrollierten Laborbedingungen statt; Feldstudien wären nötig, um die Ergebnisse unter realen Wachstumsbedingungen von Brokkoli zu bestätigen. Zuletzt lag der Fokus der Studie auf der Biosynthese der Glucosinolate, während andere Aspekte hinsichtlich des Verzehrs und der Biologie von Brokkoli weniger detailliert betrachtet wurden.
Was die Forschungsergebnisse für die Zukunft bedeuten
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Forschungsarbeit, dass ein „einfacher“ Brokkoli ein komplexes Netzwerk von Genen ist, welche gesundheitsförderliche Verbindungen produzieren. Dies zeigt, wie die Genomforschung ein neues Licht auf altbekannte Lebensmittel werfen und möglicherweise zur besseren Nutzung der gesundheitlichen Vorteile führen kann. So eröffnen die Erkenntnisse Möglichkeiten für die Züchtung besonders nährstoffreicher Brokkolisorten und verwandter Kreuzblütler wie Blumenkohl. Durch das Wissen, wie die Gene den Glucosinolatgehalt in der Pflanze beeinflussen, könnten gezielt neue Brokkolisorten mit einem höheren Potenzial für die Krebsbekämpfung entwickelt werden.
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Die gesundheitlichen Vorteile nutzen: Braucht es hoch dosierte Supplemente oder reicht es Brokkoli zu essen?
Nicht jedem schmecken die grünen Röschen oder Sprossen. Also was tun, um trotzdem von den Glucosinolaten zu profitieren? Auf dem Markt gibt es viele Angebote für Nahrungsergänzungsmittel mit ebendiesen sekundären Pflanzenstoffen – doch Vorsicht: nicht jedes entpuppt sich als qualitativ hochwertig. Denn ein Sulforaphan-haltiger Extrakt ist nicht besonders stabil und verliert entsprechend schnell seine Wirksamkeit. Besser geeignet sind Präparate, welche die Vorstufe Glucoraphanin enthalten und unter schonenden Temperaturen hergestellt wurden.
Wissenschaftlerin Ingrid Herr – Leiterin des eingangs erwähnten Forschungsteams der Universität Heidelberg – plädiert für den konventionellen Weg: den Brokkoli einfach essen. Denn den vor Krebs schützenden Effekt wies sie inzwischen noch bei einem weiteren Pflanzenstoff nach, und zwar bei Quercetin. Dieser Stoff befindet sich ebenfalls in Brokkoli, aber auch in anderen Obst- und Gemüsesorten. Ihr Fazit: „Ich empfehle daher allen Krebspatienten, sich ausgewogen mit viel Obst und Gemüse zu ernähren. Die Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass so die Wirkung der Krebstherapie verstärkt werden kann – besser als durch die Einnahme einzelner Nahrungsergänzungsmittel.“