29. Oktober 2024, 20:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das Medikament Ozempic wurde ursprünglich zur Behandlung von Diabetes, später auch Adipositas eingesetzt. Doch schnell griffen auch prominente Personen zur „Abnehm-Spritze“, die nur ein paar Kilos verlieren wollten – ein verharmlosender Trend war geboren. Einer Studie zufolge könnte ein Ballaststoff aus bekannten Lebensmitteln jedoch ähnliche Effekte auf das Gewicht haben. FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke berichtet.
Was haben Kathy Bates, Sharon Osbourne und Robbie Williams gemeinsam? Sie alle haben das Medikament Ozempic genutzt, um überschüssige oder einfach nur unliebsame Kilos zu verlieren. Der enthaltene Wirkstoff Semaglutid beeinflusst den Hormonspiegel und sorgt so für eine schnelle Sättigung sowie einen gemäßigten Blutzuckerspiegel. Doch sollte er nicht leichtfertig eingesetzt werden, denn wie jedes Medikament birgt auch Semaglutid Nebenwirkungen. Diese können die Psyche, den Darm und sogar das Sehvermögen betreffen. Insbesondere Menschen, die lediglich ihren Wohlstandsbauch loswerden möchten und keine medizinische Indikation zum Abnehmen haben, sollten entsprechend davon absehen, zu solch radikalen Methoden zu greifen. Und offenbar kann ein Ballaststoff aus unserer alltäglichen Ernährung einen ähnlichen Effekt wie Ozempic erzielen.
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Übersicht
Wissenschaftler untersuchten 5 verschiedene Ballaststoffe
Ballaststoffe fördern die Darmgesundheit, denn sie regen die Verdauung an und sind willkommenes Futter für die nützlichen Bakterien im Dickdarm. Auf diese Weise fördern sie ein gesundes Darmmikrobiom, welches auf zahlreichen Wegen die Gesundheit des gesamten Körpers beeinflusst – auch das Gewicht. Forscher der Universität Arizona und der Universität Wien nahmen im Rahmen eines Tierexperiments fünf Ballaststoffe und ihre Wirkungen auf die Darmmikrobiota unter die Lupe.1
Zu den untersuchten Ballaststoffen zählen:
- Weizendextrin
- Pektin
- resistente Stärke
- Beta-Glucan
- Zellulose (Kontrolle)
Sie alle sind in pflanzlichen, nicht aber in tierischen Lebensmitteln zu finden. Zellulose diente als Kontrolle, mit welcher die Wirkung der anderen Ballaststoffe verglichen wurde.
Mäuse bekamen fettreiches Futter
Zur Beantwortung ihrer Forschungsfrage fütterten die Wissenschaftler Mäuse für 18 Wochen mit einer fettreichen Diät. Zusätzlich wurden sie in Gruppen à 12 Tieren eingeteilt, die jeweils einen anderen der genannten fünf Ballaststoffe zugefüttert bekamen. Während des Untersuchungszeitraums maßen die Wissenschaftler das Körpergewicht der Tiere, ihren Energieumsatz mittels indirekter Kalorimetrie, ihre Glukosetoleranz sowie Veränderungen der Darmmikrobiota und -metaboliten. Als Metaboliten bezeichnet man Moleküle, die entstehen, wenn Darmbakterien mit Ballaststoffen interagieren.
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Forschungsfrage bisher einzigartig
Laut Aussage der Studienautoren gebe es ihres Wissens nach aktuell keine vergleichbare Studie, welche die Rolle verschiedener Ballaststoffe in einer kontrollierten Kohorte untersucht hat. In vergangenen Forschungsarbeiten seien Ballaststoffe jeweils lediglich separat betrachtet worden sein. Doch Studienautor Frank Duca erklärt in einer Pressemitteilung der Universität Arizona, dass man zwar bereits wisse, dass Ballaststoffe wichtig und nützlich sind. „Das Problem ist, dass es so viele verschiedene Arten von Ballaststoffen gibt“, so Duca. „Wir wollten wissen, welche Art von Ballaststoffen am nützlichsten für die Gewichtsabnahme und die Verbesserung der Glukosehomöostase ist, damit wir die Öffentlichkeit, den Verbraucher und dann auch die Agrarindustrie informieren können.“2
Nur ein Ballaststoff wirkte ähnlich wie Ozempic
Nur ein Ballaststoff der fünf getesteten zeigte einen ähnlichen Effekt wie Ozempic. Das Beta-Glucan verringerte im Vergleich zur Zellulose (Kontrolle) eine Gewichtszunahme der Mäuse und damit Adipositas. Zusätzlich sorgte es für eine bessere Glukosetoleranz, was sich günstig auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Die anderen Ballaststoffe zeigten keine Wirkung. Die Beta-Glucan-Mäuse wiesen einen erhöhten Energieverbrauch sowie eine erhöhte Bewegungsaktivität auf, verglichen mit der Kontrollgruppe.
Übrigens: Beta-Glucan steckt unter anderem in Hafer, Gerste, Pilzen und Hefe.
Es gibt wasserlösliche und unlösliche Ballaststoffe. Beta-Glucan und Weizendextrin zählen zu den wasserlöslichen. Das heißt, sie können leicht von den Darmbakterien fermentiert werden. Zellulose und resistente Stärke hingegen sind unlöslich. Dementsprechend haften sie an den Nahrungsbestandteilen im Darm und sorgen dafür, dass der Stuhl leicht ausgeschieden werden kann.
Schlüssel ist der Metabolit Butyrat
Alle untersuchten Ballaststoffe nahmen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien sowie ihre Metaboliten. Allerdings erhöhte einzig Beta-Glucan das Vorkommen von der Bakteriengattung Ileibacterium sowie eines bestimmten Metabolits, dem Butyrat. Dabei handelt es sich chemisch gesehen um eine kurzkettige Fettsäure. Und diese fördert eine gesunde Darmbarriere, sodass systemische Entzündungen verringert werden.
Doch in welcherlei Hinsicht ähnelt die Wirkung von Butyrat nun Ozempic? Der Metabolit induziert ebenfalls die Freisetzung von Botenstoffen, die die Darmfunktionen regulieren. Dazu gehört auch das körpereigene, appetithemmende Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptid 1). Semaglutid-haltige Medikamente wie Ozempic sind synthetische Versionen von GLP-1, wodurch sie zur Sättigung beitragen. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass körpereigenes GLP-1 schneller im Darm abgebaut wird, während der Effekt des Semaglutids länger anhält und auf das Gehirn abzielt.
Studienautor Duca glaubt jedoch nicht, dass dies der einzige Wirkmechanismus des Beta-Glucans ist. „Wir glauben, dass Butyrat auch andere positive Dinge bewirken könnte, die nicht mit Darmpeptiden zusammenhängen, wie etwa die Verbesserung der Darmbarriere und die gezielte Wirkung auf periphere Organe wie die Leber.“
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Einordnung der Studie
Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass sie zwar die Makronährstoffzusammensetzung und den Kaloriengehalt in allen Gruppen ähnlich gestalteten. Doch die verwendeten Ballaststoffe wiesen unterschiedliche Reinheitsgrade auf, da reine Ballaststoffe ohne Zusatzstoffe für die Studiendurchführung nicht verfügbar waren. Dies beeinflusste die Diäten der Mäuse und es wäre möglich, dass es auch zu nicht ballaststoffbedingten Effekten kam.
Die Erkenntnisse der Studie deuten darauf hin, dass sich einige Ballaststoffe für die Gewichtsabnahme und die Insulinkontrolle besser eignen als andere. Allerdings bedarf es weitere Forschung, insbesondere in Form von Humanstudien. Duca hofft auf eine zukünftige Zusammenarbeit mit anderen Forschern, um verbesserte Ballaststoffe zu entwickeln, die die Freisetzung von Butyrat optimieren können.