1. November 2023, 14:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ist es gefährlich, sein Baby oder Kleinkind vegan zu ernähren? Diese Frage stellen sich viele (werdende) Eltern, die sich selbst für eine rein pflanzliche Kost entschieden haben. Experten und Leitlinien haben darauf eine recht eindeutige Antwort.
Mit ein bisschen Ernährungswissen ist eine vegane Ernährung für Erwachsene eine sichere Sache. Ohne Eier, Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Honig – also sämtliche Produkte tierischen Ursprungs – ist man in der Regel bestens versorgt, sofern man Vitamin B12 (und bei Bedarf Eisen und Omega 3) supplementiert, auf Abwechslung achtet und auf frische sowie möglichst unverarbeitete Produkte setzt. Doch wie ist das bei Babys und Kindern, die aufgrund ihrer Gehirn- und Knochenentwicklung einen höheren Bedarf an bestimmten Nährstoffen haben? Kann man sein Baby überhaupt auf gesunde weise vegan ernähren? Oder ist das zu gefährlich? FITBOOK hat außerdem mit einem Kinderarzt gesprochen.
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Übersicht
Diese Nährstoffe brauchen Babys und Kleinkinder besonders
Mit der Muttermilch (vegane Säuglingsnahrung auf Reis- oder Sojabasis ist eher die Ausnahme und damit ein Thema für sich) ist das Baby rundum versorgt. Die meisten Mütter geben ab dem 6. Monat Beikost, womit auch langsam aber sicher das Abstillen beginnt. Auf welche Nährstoffe kommt es jetzt an? Neben sämtlichen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, die ein Erwachsener benötigt, haben Kinder einen erhöhten Bedarf an1:
- Cholin
- Eisen
- Kupfer
- Zink
- Kalzium
- Vitamin A.
- B-Vitaminen, darunter Vitamin B12
- Vitamin C
- Vitamin-D
- Jod
- Selen
Kalzium, Cholin, Eisen, Jod und Vitamin B12 finden sich in größeren Mengen mit guter Bioverfügbarkeit vor allem in Milchprodukten, Eiern und Fleisch. In ihnen steckt auch viel wertvolles Protein. All diese Nährstoffe sind für Gehirnentwicklung sowie Knochenwachstum unentbehrlich.
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Vegane Quellen für Kindernährstoffe
Bei Vitamin B12 bleibt einem nur der Griff zum Nahrungsergänzungsmittel. Bezüglich Kalzium ist grünes Gemüse ein guter Lieferant, in Haferflocken und Hülsenfrüchten steckt jede Menge Eisen. Bei Cholin (wichtig für Muskeln, Herzschlag und Gehirnfunktion) sieht es problematischer aus, lediglich Soja enthält als rein pflanzliches Produkt nennenswerte Mengen des essenziellen Vitalstoffs.2 Jodsalz ist ein Muss. Es gibt zwar einige bemerkenswert gute vegane Protein-Quellen – FITBOOK hat die besten zusammengestellt – doch eignen sich nicht alle davon für jeden Tag. Es braucht also einen ausgeklügelten, mitunter kostspieligen Ernährungsplan, um ein Baby beziehungsweise Kleinkind ausgewogen vegan zu ernähren. Überdies kennen viele Eltern den Kummer, dass ihre Sprösslinge sehr eigene Vorstellungen davon haben, was ihnen schmeckt, was sie Möglichkeiten noch weiter einschränkt. Mit Kompromissen ist das so eine Sache, denn Forscher sind sich einig: Was in den ersten 1000 Lebenstagen verpasst wurde, lässt sich in der Regel nicht mehr aufholen.3
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Baby vegan ernähren: Bundeszentrum für Ernährung warnt vor den Risiken
Das Bundeszentrum für Ernährung (BzgE) rät davon ab, Babys und Kleinkinder vegan zu ernähren. Je einseitiger die Ernährungsweise und je jünger das Kind, desto größer sei das Risiko für einen Nährstoffmangel, heißt es in einem Beitrag zum Thema auf der Seite des BzgE.4 Und: „Als Folge der unzureichenden Nährstoffversorgung kann es zu Gedeihstörungen kommen, die die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes gefährden.“ Falls Eltern sich dennoch dazu entscheiden, raten die Experten dringend zu einer Ernährungsberatung und zudem regelmäßigen, ärztlichen Check-ups, um drohende Mängel früh zu erkennen.
Auch Dr. Axel Gerschlauer, Landespressesprecher der nordrheinischen Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte, warnt zum Weltvegantag (1. November): „Die Studienlage zu veganer Ernährung in kritischen Wachstumsphasen ist noch immer nicht ausreichend, so dass wir Kinder- und Jugendärzt*innen von einer veganen Ernährung vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter abraten.“ Zu keinem Zeitpunkt reagiere der kindliche Organismus empfindlicher auf Nährstoffmangel als im Kleinkind- und Säuglingsalter. Hier sei neben der Kalorienzahl die ausreichende Menge an einer Vielzahl von Nährstoffen entscheidend für Körperwachstum, und gesunde Entwicklung aller Organe, insbesondere des Gehirns. Die „optimierte Mischkost ist daher aus wissenschaftlicher Sicht bei der Kinderernährung Standard.5
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Kinderarzt: „Es ist nicht unmöglich, aber auch nicht ratsam“
Sein Kind auf gesunde Weise vegan zu ernähren ist demnach nicht unmöglich, aber auch nicht ratsam. Das bestätigt auch der Berliner Kinderarzt Dr. Clemens Frank auf Nachfrage von FITBOOK. „Nach den aktuellen Leitlinien wird diese Ernährungsform nicht empfohlen. Falls man Kinder vegetarisch oder vegan ernähren möchte, muss man sich ausführlich mit den Lebensmitteln und deren Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen auseinandersetzen.“ Eine bewusst fleischarme Ernährung für Babys und Kleinkinder hält er hingegen nicht nur für unproblematisch: Sie sei sogar empfehlenswert.
Auf vegetarische Kost ausweichen
Mit einer rein vegetarischen Kost lässt sich der Nährstoffbedarf übrigens wesentlich leichter abdecken als mit einer rein veganen. Zu diesem Schluss kommen auch neuere Studien. So zeigte eine kanadische Untersuchung aus dem Jahr 2022, dass vegetarisch lebende Kinder sich genauso gut entwickeln wie Fleischesser (FITBOOK berichtete). Ein wesentlicher Unterschied: Sie fallen durch ein niedrigeres Gewicht auf. Daher neben Nährstoff- und Proteinzufuhr auch auf ausreichend (gesunde) Kalorien achten!
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