26. April 2024, 16:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Was die Wirkung vieler Hausmittel anbelangt, scheiden sich bekanntlich die Geister. Ganz vorne mit dabei ist vor allem eines: der Apfelessig. Diesem wird eine Reihe positiver Wirkungen auf die Gesundheit nachgesagt, etwa auf den Blutzuckerspiegel. Und sogar überflüssige Pfunde soll man sich damit wegtrinken können. Aber wie sehen das die Experten?
Sich zugleich schön, gesund und schlank trinken, mit gerade einmal zwei bis drei Teelöffeln in Wasser verdünntem Apfelessig am Tag? Klingt schon fast zu einfach, um wahr zu sein. Besonders auf Social Media wird das vermeintliche Wundermittel aktuell wieder als besonders effektives Haushaltsmittel angepriesen. So werden ihm positive Einflüsse auf Stoffwechsel, Verdauung, Blutzucker, Haut, Haare und andere körperliche Wehwehchen zugeschrieben.
Übersicht
Welche gesundheitlichen Wirkungen werden Apfelessig nachgesagt?
Apfelessig soll das Immunsystem stärken und so beispielsweise Erkältungen vorbeugen können. Auch für Verdauung und Darm sei ein Essig-Wasser-Gemisch förderlich. So verhindere Apfelessig, dass sich Fäulnisbakterien im Darm ausbreiten könnten und sorge damit für eine sanfte Reinigung des Darms sowie eine Linderung von Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung und Blähungen. Zudem helfe er gegen Sodbrennen und könne ein Völlegefühl nach dem Essen mindern.
Und für viele wahrscheinlich am interessantesten: Apfelessig soll sogar beim Abnehmen helfen! Durch Auswirkungen auf die Regulierung des Blutzuckerspiegels ließen sich Heißhungerattacken verhindern. Außerdem kurbele er die Fettverbrennung an und bringe so Fettpölsterchen zum Schmelzen. Auch soll Apfelessig insgesamt Blutzuckerspitzen verhindern und den Glukosespiegel von Diabetes-Typ-2-Patienten kontrollieren.
Wie wird Apfelessig hergestellt?
Dabei steckt hinter dem Hype im Grunde ein ganz einfaches Lebensmittel. Der herkömmliche Apfelessig aus dem Supermarkt wird aus vergorenen Apfelresten hergestellt. Dem Apfelmost wird künstlich Essigsäure hinzugesetzt. Oft wird geraten, zu hochwertigerem Bio-Apfelessig zu greifen. Diesen gewinnt man aus dem Most ganzer Bio-Äpfel, dem Bakterienkulturen zugesetzt werden, die den Gärungsprozess in Gang setzen. Dadurch wandelt sich der Alkohol in Essigsäure um. Auch in Tabletten- oder Pulverform ist die vermeintliche Geheimwaffe erhältlich. Der flüssige Essig ist allerdings deutlich günstiger.
Wie nährstoffreich ist der Essig wirklich?
Aber was steckt nun wirklich drin im angeblichen Wunderelixier? Hierzu hat sich FITBOOK bei Ernährungsexpertin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. genauer erkundigt.
Gahl bestätigt uns zwar zunächst, dass Apfelessig durchaus mit einigen wertvollen Nährstoffen punkten kann. „Apfelessig enthält u. a. Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen und Zink. Zudem sind Polyphenole enthalten, ebenso wie geringe Mengen Histamin“, erklärt die Diplom-Ökotrophologin. Gerade Polyphenolen wird beispielsweise nachgesagt, antioxidativ, entzündungshemmend und blutdruckregulierend zu wirken sowie positiven Einfluss auf das Immunsystem zu haben.
Weiter führt Frau Gahl jedoch aus: „Allerdings ist ihr Anteil mit den üblicherweise aufgenommenen Apfelessig-Mengen von ca. drei Teelöffeln (15 Milliliter) an der täglichen Gesamtaufnahme äußerst gering und spielt damit in der täglichen Ernährung im Vergleich zu Obst und Gemüse oder Fruchtsäften keine bedeutende Rolle.“ Sie erläutert das im Gespräch mit FITBOOK am Beispiel von der Deckung unseres täglichen Bedarfs am Mineralstoff Kalium. „Zwar enthält Apfelessig rund 90 Milligramm Kalium pro 100 Gramm. Da die übliche Verzehrmenge von ca. 15 bis 20 Milliliter nur ca. ein Sechstel davon beträgt, decken drei Teelöffel Apfelessig den täglichen Kaliumbedarf nur zu ca. 0,3 Prozent, während der Verzehr einer Banane (150 Gramm) und zwei roher Karotten (200 Gramm ) bereits 30 Prozent des täglichen Kaliumbedarfs abdecken.“
Wissenschaftliche Belege? Fehlanzeige!
Die Ernährungswissenschaftlerin weist insbesondere darauf hin, dass in Bezug auf das Thema Apfelessig und dessen gesundheitliche Wirkungen kaum belastbare und aussagekräftige wissenschaftliche Daten vorlägen. „Abgesehen von einer leicht antibakteriellen Wirkung des Apfelessigs aufgrund der enthaltenen Säure (Essigsäure) gibt es keine wissenschaftlichen Belege für die versprochenen Wirkungen. In letzter Zeit wird auch ein blutzuckersenkender Effekt von Essig nach Nahrungsaufnahme diskutiert. Allerdings gibt es nur einzelne kleinere Studien dazu und der verantwortliche Wirkmechanismus ist bislang nicht aufgeklärt.“ Dazu zählt u. a. eine Studie aus dem Jahr 2007.1
Neue Studie lässt ebenfalls Fragen offen
Es gibt einen Anlass, warum der Apfelessig-Tipp derzeit wieder durch die sozialen Medien wandert: eine Studie aus dem Libanon, die Mitte März veröffentlicht wurde.
Die Forscher haben dafür 120 junge Erwachsene mit Übergewicht in vier Gruppen eingeteilt. Drei Gruppen tranken jeden Morgen Apfelessig auf nüchternen Magen, jeweils 5, 10 oder 15 Milliliter, in Wasser verdünnt. Die vierte Gruppe bekam ein Placebo mit Milchsäure. Nach zwölf Wochen zeigte sich, dass die Gruppen, die Apfelessig eingenommen hatten, signifikant an Gewicht verloren hatten.
Für Daniela Krehl, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Bayern, werfen die Studienergebnisse allerdings viele Fragen auf. „Man weiß nicht: War es der Apfelessig an sich oder bloß die Essigsäure, die zum Beispiel auch in Himbeer- oder Weinessig stecken würde? Hat die Säure einfach nur den Appetit gehemmt oder hat sie einen physiologischen Effekt im Körper gehabt? Dieser Wirkungsnachweis fehlt bei dieser Studie“, schildert Krehl ihre Bedenken der „dpa“.
Zudem sei die Teilnehmerzahl mit 120 Probanden eher gering. Und: Die Autoren der Studie schreiben selbst, dass aufgrund der Studiendauer von zwölf Wochen Langzeiteffekte nicht betrachtet werden konnten.
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Das hält die Ernährungsexpertin von der Apfelessig-Kur
Alles also bloß eine große Gesundheitslüge? Zur Wirkung des Essigs in unserem Körper erklärt Expertin Gahl im Interview mit FITBOOK: „Essig wird im Stoffwechsel letztlich zu Wasser und Kohlendioxid abgebaut, ohne besondere Effekte im Körper auszulösen.“ In der Volksmedizin gibt es für Apfelessig zahlreiche Heilversprechen, z. B. eine Stärkung der Abwehrkräfte sowie Hilfe bei Gelenkschmerzen, Darmträgheit oder zur Gewichtsreduktion. Eine mögliche Gewichtsreduktion sei eher auf eine Ernährungsumstellung zurückzuführen als auf das Apfelessiggetränk. In der Regel verbergen sich hinter Apfelessig-Diäten Rezepte für eine energiereduzierte Kost. „Wer sich danach ernährt, hat gute Chancen, auch ohne Essig Gewicht zu verlieren“, sagt Gahl. Klare Worte in Bezug auf den so hochgelobten angeblichen Gesundheits- und Abnehmbooster.
Aber ist es denn per se völlig abzulehnen, Apfelessig zu sich zu nehmen? Expertin Gahl äußert sich dazu wie folgt: „Eine spezielle Empfehlung von Apfelessig aus gesundheitlichen Gründen hält die DGE für wenig vielversprechend, da die zugesprochenen Wirkungen bei Diabetes, zum Abnehmen oder bei Krebs wissenschaftlich nicht belegt sind. Wir empfehlen Essig in erster Linie zur klassischen Verwendung in der Küche, ob zur Konservierung (z.B. beim Einlegen von Gemüsen), zur Zubereitung von Dressings, Mayonnaisen, Senf und zum Würzen von Speisen. Wer den Essig in den üblichen Dosierungen, ca. zwei bis drei Esslöffel (20 bis 30 Milliliter) verwendet oder trinken möchte, kann dies gern tun, da beim normalen Verzehr keine Unverträglichkeitserscheinungen auftreten bzw. zu erwarten sind. Damit Zahnschmelz und Darmschleimhaut durch den hohen Säuregehalt aber nicht angegriffen werden, sollte man diese Menge Apfelessig am besten verdünnt in einem großen Glas Wasser trinken.“
Eine Sache sollte man zusätzlich noch beachten: nach dem Trinken des Essigs nicht direkt die Zähne putzen. Wer eine halbe Stunde damit wartet oder die Säure mit einem Mundwasser neutralisiert, ist auf der sicheren Seite.
Nahrungsergänzungsmittel mit Essigextrakt sind unnötig
Wenn man so einen sauren Drink nicht herunterbekommt – sind Nahrungsergänzungsmittel mit Apfelessigextrakt dann eine gute Alternative? Nein, findet Daniela Krehl. Und das nicht nur, weil die Pulver und Kapseln ein Vielfaches einer Flasche Apfelessig kosten.
Zu viele Fragen rund um die Wirkweise von Apfelessig sind noch offen. So sei Krehl zufolge unklar, ob die entscheidenden Inhaltsstoffe überhaupt noch im hoch verarbeiteten Pulver enthalten seien.
Um Apfelessig besser herunterzubekommen, hat sie noch einen Tipp: ihn als Switchel servieren. So heißt ein Getränk, für das man Apfelessig, Wasser, Ahornsirup, Ingwer und Zitrone mischt. So gesellt sich zur Säure noch etwas Süße und Schärfe – das dürfte vielen besser schmecken.
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Fazit zu Apfelessig
Schädlich ist ein Gemisch aus Apfelessig und Wasser für unseren Körper in einer normalen Dosierung keinesfalls. Ob es allerdings auch das persönliche körperliche Wohlbefinden steigert oder sogar die Fettverbrennung fördert, ist, wie bei so vielen Hausmittelchen, auf Grundlage der aktuellen Studienlage nicht eindeutig zu beantworten.