
5. Februar 2025, 4:16 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Bei welcher Ernährungsweise nimmt man mehr Kalorien zu sich: bei einer pflanzenbasierten, fettarmen Diät oder eine tierische, ketogene Low-Carb-Diät? Seit Jahrzehnten konkurrieren zwei Theorien über die Rolle von Kohlenhydraten und Fett in der Gewichtskontrolle. Amerikanische Wissenschaftler haben den Vergleich gemacht – mit überraschenden Ergebnissen.
„Es wurde angenommen, dass fettreiche Nahrungsmittel zu einer übermäßigen Kalorienaufnahme führen, da sie viele Kalorien pro Bissen enthalten. Andererseits können kohlenhydratreiche Nahrungsmittel große Schwankungen des Blutzucker- und Insulinspiegels verursachen, die den Hunger steigern und zu übermäßigem Essen führen können“, erläutert Dr. Kevin Hall, Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung die Uneinigkeit in der Forschung, welche Auswirkungen die Ernährungsformen auf Kalorienaufnahme, Hormonspiegel und Körpergewicht haben. „Unsere Studie sollte feststellen, ob kohlenhydratreiche oder fettreiche Diäten zu einer höheren Kalorienaufnahme führen.“1 Hall und sein Team führten deshalb eine vierwöchige Studie durch, in der die Probanden sich Low Fat und Keto ernähren mussten. Die Auswirkungen auf Gewicht, Energieaufnahme und Hormone erfahren Sie im Artikel.
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Übersicht
Die Wissenschaftler verglichen Low Fat und Keto
Ziel der Studie war es, die Auswirkungen zweier Ernährungsformen auf die Kalorienaufnahme „ad libitum“ zu vergleichen. Das meint etwa „nach Belieben“, die Probanden konnten bis zur Sättigung essen und waren nicht auf eine bestimmte Energiemenge limitiert. Dabei standen sich eine pflanzenbasierte, fettarme Ernährung und eine ketogene, tierisch basierte Ernährung gegenüber. Im Proteingehalt unterschieden sie sich nicht.
- Low Fat: 10,3 Prozent Fett, 75,2 Prozent Kohlenhydrate, 14 Prozent Protein
- Keto: 75,8 Prozent Fett, 10 Prozent Kohlenhydrate, 14 Prozent Protein
Als Beispiel für eine Mahlzeit nennt die Studie Hackfleischpfanne mit Blumenkohlreis bei der tierischen Low-Carb-Diät. Währenddessen gab es gebackene Süßkartoffeln, Kichererbsen, Brokkoli und Orangen bei der pflanzlichen Low-Fat-Diät.
20 übergewichtige Personen nahmen teil
Das Forscherteam des National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases unter der Leitung von Dr. Kevin Hall hatte elf übergewichtige Frauen und neun Männer dafür rekrutiert, vier Wochen am Stück in der Klinik zu verbringen. Ihr Body-Mass-Index betrug durchschnittlich 27,8. Bei allen 20 Studienteilnehmern lag keine Diabetes-Diagnose vor.2
Der Hintergrund: Frühere Studien haben kaum signifikante Unterschiede zwischen Low-Carb- und Low-Fat-Diäten im Hinblick auf langfristige Gewichtsabnahme gezeigt, doch oft scheitern solche Studien an mangelnder Diättreue der Teilnehmer. Diese Untersuchung sollte durch eine die Kontrolle der Diätzusammensetzung und den Klinikaufenthalt neue, zuverlässigere Erkenntnisse liefern.
Die Forscher wollten überprüfen, ob die Keto-Diät tatsächlich das Hungergefühl reduziert und ob die fettarme Ernährung zu einer geringeren Kalorienaufnahme führt. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Frage, ob eine der beiden Diäten langfristig Vorteile für das Gewichtsmanagement bieten könnte.
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Probanden aßen für je zwei Wochen Low Fat und Keto
Bei der Studie handelt es sich um eine randomisierte, kontrollierte Crossover-Studie.
Jeder Teilnehmer verbrachte 28 Tage als stationärer Patient in der Metabolic Clinical Research Unit des National Institutes of Health (NIH) in den USA. „Crossover“ meint, dass jeder beide Diäten für jeweils zwei Wochen in zufälliger Reihenfolge serviert bekam, ohne eine Pause dazwischen. Alle Mahlzeiten und Snacks wurden zur Verfügung gestellt, und die Teilnehmer konnten essen, soviel sie wollten („ad libitum“).
Die Forscher dokumentierten, wie viele Kalorien konsumiert wurden. Sie kontrollierten zudem Gewicht, Körperzusammensetzung, Blutzuckerwerte und andere Stoffwechselparameter. Damit die Teilnehmer mit ihrem Verhalten nicht das Ergebnis beeinflussten, waren sie nicht über die eigentlichen Studienziele informiert und hatten keinen Zugang zu ihrer täglichen Gewichtsmessung.
Kalorienaufnahme in Low-Fat-Phase gesunken
Das überraschendste Ergebnis: Teilnehmer konsumierten bei Low Fat signifikant weniger Kalorien als bei der Keto-Diät. Konkret nahmen Low-Fat-Gruppe in der ersten Woche täglich 689 ± 73 Kalorien weniger zu sich als die Keto-Gruppe. Dieser Unterschied blieb auch in der zweiten Woche der jeweiligen Diät bestehen: Hier betrug die Differenz immer noch 544 ± 68 Kalorien pro Tag.
Einfluss auf gegessene Menge und Hungergefühl
Es zeigte sich, dass die Teilnehmer aßen unter der Low-Fat-Diät mengenmäßig mehr aßen (2.140 ± 43 Gramm pro Tag) als bei der ketogenen Ernährung (1.473 ± 43 Gramm pro Tag). Die Wissenschaftler berechneten, dass die Keto-Variante dafür mit einer höheren Energiedichte daherkam. Auf ein Gramm gerechnet lieferte sie 2,2 Kalorien, bei Low Fat waren es 1,1 Kalorien pro Gramm.
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Appetit: Die Teilnehmer berichteten von keinen signifikanten Unterschieden im Hungergefühl zwischen den beiden Diäten. Trotz des hohen Kalorien- und Mengenunterschieds hätten die Teilnehmer keine Veränderungen bei Hunger, Völlegefühl oder Genuss am Essen zwischen den beiden Ernährungsweisen bemerkt, heißt es.
Wie veränderte sich das Körpergewicht?
Die Keto-Diät führte zu einem schnellen Gewichtsverlust in der ersten Woche. Der Gesamtgewichtsverlust nach zwei Wochen lag durchschnittlich bei 1,77 Kilogramm. Low Fat hingegen begann mit einem langsameren Gewichtsverlust, nach zwei Wochen lag dieser bei 1,09 Kilogramm, was sich nicht signifikant von der Abnahme durch Keto unterschied.
Die Wissenschaftler betonen, dass die Studie nicht darauf ausgelegt war, Diätempfehlungen zur Gewichtsabnahme zu geben, und die Ergebnisse anders ausgefallen wären, wenn die Teilnehmer aktiv versucht hätten, abzunehmen.
Bei Insulin- und Blutzuckerwerten schneidet Low Carb besser ab
Dr. Hall fässt in der Pressemitteilung zusammen: „Interessanterweise deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass beide Diäten zumindest kurzfristig Vorteile haben. Während die fettarme, pflanzliche Ernährung den Appetit zügelt, führt die tierische, kohlenhydratarme Ernährung zu niedrigeren und stabileren Insulin- und Glukosewerten. Wir wissen noch nicht, ob diese Unterschiede langfristig bestehen bleiben“, betont der Leiter der Studie.
Einordnung der Studie
Diese Studie liefert wichtige Erkenntnisse zur Wirkung verschiedener Diäten auf die Kalorienaufnahme. Die Autoren weisen jedoch auch auf einige Einschränkungen hin. Zum einen dauerte die Untersuchung lediglich vier Wochen, sodass Langzeiteffekte unklar bleiben. Das Studiendesign (Kontrolle der Probanden, Aufenthalt in Klinik), ermöglichte zwar einen genauen Blick auf die Auswirkungen der Ernährungsweisen. Jedoch ist ungewiss, welche Faktoren im Alltag, z. B. soziale Einflüsse oder die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, eine Rolle spielen könnten. Zuletzt sei gesagt, dass die kleine Teilnehmerzahl und die Tatsache, dass alle übergewichtig waren, zwar aufschlussreiche Ergebnisse liefern, aber nicht automatisch auf die gesamte Bevölkerung übertragbar sind.

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Fazit
Die Studie zeigt, dass eine fettarme, pflanzenbasierte Ernährung zu einer geringeren Kalorienaufnahme führt als eine tierische, ketogene Ernährung. Und das, ohne dass die Teilnehmer mehr Hunger verspüren – eine überraschende Erkenntnis, die das Kohlenhydrat-Insulin-Modell infrage stellt.
Hall resümiert: „Trotz des Verzehrs von Nahrungsmitteln mit einem hohen glykämischen Index, die zu starken Schwankungen des Blutzucker- und Insulinspiegels führten, zeigten Menschen, die sich pflanzlich und fettarm ernährten, eine deutliche Verringerung ihrer Kalorienaufnahme und einen Verlust an Körperfett. Dies widerlegt die Vorstellung, dass kohlenhydratreiche Diäten per se zu übermäßigem Essen führen. Andererseits führte die kohlenhydratarme Ernährung auf tierischer Basis trotz des hohen Fettanteils nicht zu einer Gewichtszunahme“, sagte Hall.
Wer sich auf sein Gewichtsmanagement fokussieren möchte, könnte (!) langfristig mit einer pflanzenbasierten Low-Fat-Ernährung erfolgreicher sein. Dennoch bleibt die Frage offen, wie sich solche Diäten über einen längeren Zeitraum auf den Körper auswirken. Weitere Studien sind notwendig, um langfristige Effekte auf den Stoffwechsel zu untersuchen.